Weitere Urteile in „Ehren“-Mordprozessen verkündet

Am Montag, den 15. Juli 2013 gab die Staatsanwaltschaft Detmold in einer Pressemitteilung bekannt, dass die Mutter von Arzu Özmen mit Strafbefehl vom 19. Juni 2013 wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt wurde, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung.

Ebenfalls am 15. Juli 2013 wurden weitere Urteile im „Ehren“-Mordfall Iptehal Al-Zein verkündet. Die junge Libanesin Iptehal war im August 2008 auf einem Parkplatz der Autobahn 45 durch Kopfschüsse getötet worden. Ihr Onkel bekam lebenslänglich wegen Mordes, der Bruder eine Jugendstrafe von sechseinhalb Jahren.

Bereits im Januar 2010 hatte das Landgericht Hagen den Cousin zu 14 Jahren Haft verurteilt. Der damals 21-jährige soll die 20-jährige Iptehal auf dem Boden festgehalten haben, als der Onkel die Schüsse abgab. Daraufhin war dieser ins Ausland geflohen und konnte erst im September 2012 festgenommen werden. Seit März saß er neben dem Bruder des Opfers, einem weiteren Onkel und der Mutter Iptehals auf der Anklagebank.

Iptehal war vor der schrecklichen Tat in ein Frauenhaus geflohen, da sie wusste, dass ihr Verhalten (u. a. voreheliche sexuelle Beziehungen) nicht den patriarchalisch-traditionellen Wertvorstellungen ihrer Familie entsprach und sie somit das Ansehen der Familie schwer beschädigt hatte. Wie der während des Prozesses gehörte Experte Professor Dr. Jan Ilhan Kizilhan erklärte, gilt solch ein Fehlverhalten als „Versagen“ der ganzen Familie, die alles daran setzen müsse, die verlorene Ehre wieder herzustellen. Dies kann unter Umständen die Tötung der betroffenen Frau bedeuten. (Weitere Informationen zum Thema „Gewalt im Namen der Ehre – Männer: Täter und Opfer“ finden Sie im Interview von TDF mit Professor Kizilhan vom 16. Mai 2012)

Nachdem der Familienrat den Tod Iptehals beschlossen hatte, wurde sie aus dem Frauenhaus in die Wohnung der Mutter gelockt, woraufhin sie von Onkel, Cousin und Bruder im Kofferraum bis zum Parkplatz „Sterbecker Siepen“ an der A 45 geschafft und schließlich von ihrem Onkel regelrecht hingerichtet wurde.
Der zweite angeklagte Onkel, der den Parkplatz ausgekundschaftet haben soll, wurde freigesprochen. Dieser Vorwurf ließ sich nicht beweisen. Die Mutter wurde ebenfalls vom Vorwurf der Mittäterschaft am Mord freigesprochen, wegen uneidlicher Falschaussage erhielt sie jedoch eine Geldstrafe von 1.500 Euro. Sie hatte bestritten, ihre Tochter als „Hure“ und „Schlampe“ bezeichnet zu haben.

Im Fall der am 1. November 2011 ermordeten Jesidin Arzu Özmen wurde nun nach den fünf Geschwistern und dem Vater auch die Mutter verurteilt, allerdings nicht im Zusammenhang mit dem „Ehren“-Mord, sondern wegen eines Vorfalls vom 27. August 2011. An diesem Tag wurde Arzu wegen einer Liebesbeziehung zu einem Nicht-Jesiden von ihrem Vater mit einem Stock verprügelt, vor den Augen ihrer Mutter, die die „Bestrafungsaktion“ mit beschlossen haben soll. Zudem verboten ihr die Eltern, das Haus zu verlassen. Es gelang ihr jedoch, in ein Frauenhaus zu fliehen und ihren Namen zu ändern, um sich vor ihrer Familie zu schützen. Sie wusste, dass sie die Familienehre beschmutzt hatte und fürchtete um ihr Leben. Diese Vorsichtsmaßnahmen waren jedoch umsonst: Als Arzu ihren Freund besuchte, wurde sie dort von ihren fünf Geschwistern entführt und anschließend von ihrem Bruder Osman umgebracht. Die Schwester Sirin kannte dank ihrer Arbeitsstelle in der Stadtverwaltung die Adresse des Freundes.

TERRE DES FEMMES begrüßt, dass die Justiz nun endlich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 1995 übernimmt und „Ehren“-Morde als Morde aus niedrigen Beweggründen ahndet. Außerdem ist es ein wichtiges Signal, dass alle an solchen Morden beteiligten Personen zur Rechenschaft gezogen werden: „Ehren“-Morde werden in der Regel gemeinschaftlich beschlossen und sind keine Taten im Affekt.

Es bleibt aber noch viel zu tun! Um bedrohte Mädchen und Frauen besser zu schützen, müssen Bund und Länder die Finanzierung von Frauenhäusern und anderen spezialisierten Zufluchts- und Beratungsstellen sicherstellen. Diese sind von größter Notwendigkeit, da sie oft die letzte Rettung für Bedrohte und Betroffene darstellen.

Länder und Kommunen müssen für einen erhöhten Datenschutz der von „Ehren“-Morden bedrohten Mädchen und Frauen sorgen!