Was kann ich tun, wenn ich selbst betroffen bin?

Eine Beraterin spricht mit einer ängstlichen jungen Frau

Befürchtest du, gegen deinen Willen verheiratet zu werden oder bist du schon verheiratet worden? Du hast einen Freund oder eine Freundin und deine Eltern dürfen davon nichts wissen, weil sie dich vielleicht schon einem/einer anderen versprochen haben?

Dann ist es wichtig, dass du mit jemanden außerhalb deiner Familie sprichst und dir Hilfe holst! Niemand darf dich gegen deinen Willen verheiraten – auch nicht deine Eltern!

Vielleicht kannst du eine/n VertrauenslehrerIn oder eine/n SchulsozialarbeiterIn ansprechen. Gemeinsam könntet ihr die nächsten Schritte besprechen und auch eine professionelle Beratungsstelle einschalten.
Oder du kannst dich auch allein anonym beraten lassen.

Beratungsstellen

In ganz Deutschland gibt es spezialisierte Beratungsstellen, an die du dich wenden kannst. Sie beraten dich kostenfrei und wenn du willst auch anonym. Du kannst dort anrufen oder auch eine E-Mail schreiben – manche Stellen bieten sogar eine Chatfunktion an: Hier findest du eine Übersicht über Beratungsstellen in ganz Deutschland:

Stop Child Marriage

Hier kannst du dich außerdem in 10 verschiedenen Sprachen über die Gesetzeslage zu Frühehen informieren.

Hilfe in akuten Notfällen

Du befindest dich in einer Notsituation, wirst vielleicht zu Hause eingesperrt, hast Gewalt erlebt und/oder befürchtest, dass deine Familie dich ins Ausland bringen möchte, um dich dort zu verheiraten?

Hol dir dringend Hilfe:

Kontaktiere eine professionelle Beratungsstelle oder Schutzeinrichtung, diese beraten dich anonym und besprechen mit dir die nächsten Schritte: Hier findest du die Adressen.

Wenn du noch unter 18 Jahre alt bist, wende dich an den Jugendnotdienst deiner Stadt (unter diesem Link kannst du nach dem Jugendamt deiner Stadt suchen, auf deren Webseite findest du auch den jeweiligen Jugendnotdienst oder Kindernotdienst). Schildere dort deine Situation und deinen Aufenthaltsort. Das Jugendamt oder der Jugendnotdienst können dich, wenn du in Gefahr bist, aus der Familie herausholen (das heißt, eine so genannte »Inobhutnahme« durchführen) und an einem sicheren Ort unterbringen, deine Familie erfährt dann nicht, wo du dich aufhältst. Gemeinsam kann das Jugendamt bzw. die MitarbeiterInnen der geschützten Einrichtung mit dir überlegen, wie es weitergehen soll. Eine Inobhutnahme bedeutet nicht, dass das Jugendamt dich dauerhaft und gegen deinen Willen »festhält«, sondern dass du in einer gewaltfreien Umgebung zur Ruhe kommen und überlegen kannst, wie es weitergehen soll. Dieser Schritt muss also keinen dauerhaften »Bruch« mit der Familie bedeuten, sondern du zeigst ihnen deine Grenzen auf: Bis dahin und nicht weiter!

Wenn du noch die Möglichkeit hast, zur Schule zu gehen, besprich z. B. mit der Schulsozialarbeiterin deine Situation.
Sie hat eine Schweigepflicht, d.h. sie wird deinen Eltern nichts von dem Gespräch erzählen. Ihr könntet gemeinsam von der Schule aus das Jugendamt bzw. Jugendnotdienst einschalten, die dich von der Schule aus abholen und an einen sicheren Ort bringen.

Falls du nicht mehr zur Schule gehst oder gehen darfst, versuche dennoch, die Wohnung zu verlassen, zur Not auch, um eine/n Arzt/Ärztin aufzusuchen und von dort aus Hilfe zu rufen.

Die Polizei muss nicht eingeschaltet werden, wenn du das nicht möchtest, in einer akuten Notsituation könnten sie dir aber helfen, z.B., wenn du große Angst vor deiner Familie hast.

Volljährige und Minderjährige können sich Tag und Nacht (zusätzlich zu den bundesweiten Beratungsstellen) an das Bundesweite Hilfetelefon wenden: Tel. 08000 116 016 (täglich 24 Stunden erreichbar, kostenfrei und anonym, online-Beratung unter www.hilfetelefon.de, Sofort-Chat zwischen 12 und 20 Uhr).

Zwangsverheiratung im Ausland​

Ist deine Heirat im Ausland geplant oder du befürchtest, im Ausland gegen deinen Willen verheiratet zu werden?

Fahre wenn möglich nicht mit, auch nicht, wenn du denkst, du kannst vor Ort immer noch »Nein« sagen. Denn häufig werden dir, falls du tatsächlich verheiratet werden sollst, dein Handy, Geld und Pass weggenommen. Die Möglichkeiten nach Deutschland zurückzukehren sind oft sehr eingeschränkt, manchmal sogar unmöglich – erst recht, wenn du nicht die deutsche Staatsangehörigkeit oder eine doppelte Staatsangehörigkeit hast.

Daher hol dir rechtzeitig Hilfe bei einer Vertrauensperson, einer Beratungsstelle oder dem Jugendamt. Solltest du eingesperrt sein und zum Flughafen gebracht werden, kannst du auch dort noch die Sicherheitsbeamten ansprechen und um Hilfe bitten!

Falls du trotz der Gefahr dennoch reisen möchtest, solltest du vorher Sicherheitsvorkehrungen treffen:
Du solltest z.B. Kopien des Passes und des Rückflugtickets, Bargeld, geheimes (Prepaid-)Handy sowie Adressen der deutschen Botschaft versteckt mit dir führen und alle Kopien zusätzlich bei einer Vertrauensperson hinterlegen.

Vor der Abreise solltest du bei einer Vertrauensperson die genaue Adresse des Zielortes sowie eine eidesstattliche Erklärung hinterlegen, dass du befürchtest, im
Herkunftsland zwangsverheiratet zu werden, auf jeden Fall nach Deutschland zurückkommen möchtest und alle Schritte für eine Rückkehr eingeleitet werden sollen.

Leider sind diese Sicherheitsvorkehrungen keine Garantie dafür, dass dir geholfen werden kann, sobald du erstmal im Ausland bist.

Weitere Informationen zum Thema Verschleppung ins Ausland sowie Vordrucke findest du unter: https://verschleppung.papatya.org (du kannst dich dorthin wenden, wenn du befürchtest verheiratet zu werden, aber auch, wenn du bereits im Ausland bist und festgehalten wirst).

Dein Recht

Kein Mensch hat das Recht, einen anderen zu zwingen zu heiraten, auch nicht deine Eltern oder andere Verwandte!

Eine Zwangsverheiratung ist in Deutschland verboten, auch dürfen Minderjährige nicht in einer religiösen oder traditionellen Zeremonie heiraten – auch dann nicht, wenn es angeblich freiwillig ist!

In Deutschland musst du mindestens 18 Jahre alt sein, auch wenn deine Eltern wollen, dass du minderjährig heiratest! Das ist gegen das Gesetz!

In einigen Fällen kann es sein, dass du überredet oder überrumpelt wurdest, vielleicht wurdest du auch erpresst oder deine Eltern haben dich unter Tränen angefleht: Das Ergebnis ist häufig gleich. Du fühlst dich in die Ecke gedrängt, weißt keinen Ausweg und hast das Gefühl, alleine zu sein. Du möchtest es deiner Familie recht machen, möchtest, dass sie glücklich sind – aber was ist mit dir? Du hast ein Recht darauf, glücklich zu sein!

Du allein entscheidest – es ist dein Leben.
Du musst mit dem Mann/der Frau zusammenleben, nicht deine Eltern!Und du bist nicht allein! Es gibt viele Menschen, die dir helfen können deinen Weg zu finden – ohne Gewalt!

Du kannst und du darfst »Nein«sagen! Gemeinsam mit einer anderen Person kannst du eine Lösung finden!

Daher: Hol dir Hilfe!